Der Lebenszyklus einer Kryptoaktie beginnt, analog zur klassischen Aktie, mit der Gründung einer Aktiengesellschaft oder der Begebung von neuen Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Dies erfordert einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag bzw. einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung (§ 23 Abs. 1 AktG, §§ 182 Abs. 1, 130 Abs. 1 AktG). Der Gesellschaftsvertrag bzw. Beschluss muss festlegen, dass die Aktien als elektronische Aktien ausgegeben und die Verbriefung ausgeschlossen ist (§ 10 Abs. 6 Satz 1 AktG). Für die Ausgabe als Kryptoaktien muss die Satzung zusätzlich die Eintragung in ein Kryptowertpapierregister explizit zulassen (§ 10 Abs. 6 Satz 2 AktG). Zusätzlich sollten bereits zu diesem Zeitpunkt Vesting-Regelungen und die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien berücksichtigt und in der Satzung verankert werden.

  • Vesting: Vesting, die zeitlich gestaffelte Freigabe von Aktien, dient der langfristigen Bindung von Gründern, Mitarbeitern und Beratern. Es kann vertraglich oder über Smart Contracts umgesetzt werden. Die konkreten Bedingungen des Vestings, wie z.B. die Dauer der Sperrfrist und die Freigabebedingungen, werden im Vertrag oder Smart Contract festgelegt.

  • Mehrstimmrechte: Mehrstimmrechte ermöglichen es bestimmten Aktionären, z.B. Gründern, mehr Stimmrechte pro Aktie auszuüben als andere Aktionäre. Die Satzung muss die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien explizit vorsehen (§ 135a AktG). Dabei sind die im ZuFinG festgelegten Beschränkungen, wie z.B. die maximale Stimmrechtsvielfachung und die zeitliche Befristung bei börsennotierten Gesellschaften, zu beachten.

Nach dieser Grundlagenlegung erfolgt die technische Emission der Kryptoaktien durch Eintragung im Kryptowertpapierregister, das vom lizenzierten (Übergangslizenz; finale Lizenz ausstehend) Kryptowertpapierregisterführer ecrop geführt wird (§ 16 eWpG).

Jede Kryptoaktie erhält eine eindeutige Kennnummer im Kryptowertpapierregister (§§ 13, 17 eWpG). Dieser Prozess ist analog zur Eintragung von klassischen Aktien im Aktienregister einer Gesellschaft (§ 67 AktG), ersetzt aber die physische/elektronische Urkundenübermittlung durch einen digitalen Eintrag im elektronischen Wertpapierregister. Die Eintragung erfolgt durch den Emittenten oder einen von ihm beauftragten Dienstleister.

Unterschied zur klassischen Aktie:

Bei klassischen Aktien wird nach notarieller Beurkundung bzw. Beschlussfassung die Verbriefung der Aktien durch physische Urkunden vorgenommen. Bei Kryptoaktien entfällt dieser Schritt. Die Aktien entstehen direkt durch die Eintragung im elektronischen Wertpapierregister und werden durch einen digitalen Eintrag im Register verbrieft. Die Übertragung von Kryptoaktien erfolgt ebenfalls digital und ohne physische Urkunden.

Platzierung und Funding: Vom Seed Funding zum öffentlichen Angebot

Nach der Emission müssen die Kryptoaktien platziert werden, um Kapital zu beschaffen und eine breite Investorenbasis zu erreichen. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die sich an den jeweiligen Bedürfnissen des Emittenten und den regulatorischen Rahmenbedingungen orientieren:

  • Equity Crowdfunding: Über Plattformen wie ArsenalX können Kryptoaktien einem breiten Publikum angeboten werden. Dies ermöglicht Start-ups, Scale-ups und KMUs, auch ohne Zugang zu traditionellen Investoren, Kapital einzuwerben. Die regulatorischen Anforderungen des VermAnlG, insbesondere die Prospektpflicht, die Informationspflichten und die Anlegerschutzbestimmungen, sind zu beachten.

  • Private Placement: Die Aktien werden einem begrenzten Kreis von Investoren angeboten, z.B. institutionellen Investoren, Family Offices oder vermögenden Privatpersonen. Dies ist oft bei größeren Finanzierungsrunden der Fall und kann eine Alternative zur Prospektpflicht darstellen.

  • Seed Funding: In der frühen Phase eines Start-ups werden oft Seed-Investoren gewonnen, die das Unternehmen mit Startkapital ausstatten. Kryptoaktien können auch hier als Finanzierungsinstrument eingesetzt werden. Dabei können Vesting-Regelungen vereinbart werden, um die Seed-Investoren langfristig an das Unternehmen zu binden und die Interessen der Gründer zu schützen.

  • Unterschied zur klassischen Aktie: Klassische Aktien werden häufig über Börsengänge oder Kapitalerhöhungen platziert. Equity Crowdfunding mit Kryptoaktien ermöglicht einen direkteren Zugang zu einer breiteren Investorenbasis.

Handel und Verwahrung: Dezentrale Märkte und sichere Wallets

Der Handel mit Kryptoaktien unterscheidet sich grundlegend vom Handel mit klassischen Aktien und elektronischen Zentralregisteraktien:

  • Unregulierte Märkte (OTC): Da Kryptoaktien derzeit nicht die Anforderungen des Effektenhandels erfüllen, können sie nicht ohne weiteres an regulierten Märkten (trad. Börsen) gehandelt werden. Der Handel kann daher ausschließlich via OTC stattfinden, z.B. auf Bulletin Boards.

  • DLT-Pilotregime: Die DLT-Pilotverordnung der EU ermöglicht den Handel mit Kryptoaktien an regulierten DLT-Börsen und schafft damit einen regulierten Rahmen für den Handel mit DLT-basierten Finanzinstrumenten.

Die Verwahrung von Kryptoaktien erfolgt digital in Wallets:

  • Eigenverwahrung: Investoren verwalten ihre privaten Schlüssel selbst. Dies bietet die größte Kontrolle über die Aktien, ist aber auch mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko verbunden.

  • Verwahrung durch einen Kryptoverwahrer (ecrop Lizenz in Beantragung): Spezialisierte Dienstleister wie ecrop bieten die sichere und regulierte Verwahrung von kryptografischen Schlüsseln der Kryptoaktien an. Die Verwahrung unterliegt den Anforderungen des KWG und schützt Investoren mit einem erhöhten Grad an Sicherheit und Compliance. Die Verwahrung durch einen Kryptoverwahrer bietet den Vorteil, dass die komplexen technischen Aspekte der Schlüsselverwaltung ausgelagert werden können.

  • Unterschied zur klassischen Aktie: Klassische Aktien werden in der Regel von Banken oder Zentralverwahrern verwahrt. Der Handel findet an regulierten Märkten statt. Kryptoaktien bieten durch die dezentrale Verwahrung in Wallets und den Handel an DLT Märkten neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen.

Ausübung von Aktionärsrechten: Digitale Partizipation und Transparenz

Kryptoaktien ermöglichen die digitale Ausübung von Aktionärsrechten, wie z.B. die Teilnahme an Hauptversammlungen und die Ausübung von Stimmrechten. Dies vereinfacht die Partizipation der Aktionäre, erhöht die Transparenz des Prozesses und ermöglicht eine effizientere und kostengünstigere Abwicklung.

  • Hauptversammlungen: Die Teilnahme an Hauptversammlungen und die Stimmabgabe können digital über die Plattform oder über die Blockchain erfolgen. Dies ermöglicht auch Aktionären, die nicht persönlich anwesend sein können, die Ausübung ihrer Rechte. Smart Contracts können die automatische Auszählung der Stimmen und die Verifizierung der Stimmberechtigung erhöhen und die Effizienz und Sicherheit verbessern. Die notarielle Beurkundung der Hauptversammlungsbeschlüsse bleibt jedoch auch bei Kryptoaktien erforderlich (§ 130 Abs. 1 AktG).

  • Dividendenzahlungen: Die Ausschüttung von Dividenden kann automatisiert über die Plattform erfolgen (via Payment Provider) oder durch die Verwendung von Smart Contracts, die die Dividendenzahlungen automatisch an die Aktionäre auszahlen. Dies beschleunigt den Prozess und reduziert den administrativen Aufwand.

  • Informationsrechte: Die Transparenz der Blockchain ermöglicht es Investoren, sich jederzeit über den Stand des Unternehmens, die Entwicklung der Kryptoaktie und den Verbleib ihrer Investitionen zu informieren. Zudem können Emittenten über die Plattform regelmäßige Berichte und Analysen bereitstellen.

  • Unterschied zur klassischen Aktie: Bei klassischen Aktien und elektronischen Zentralregisteraktien erfolgt die Ausübung von Aktionärsrechten oft auf traditionellem Weg, z.B. schriftlich oder durch persönliche Teilnahme an Hauptversammlungen. Kryptoaktien bieten hier durch die Digitalisierung der Prozesse, die Nutzung von Smart Contracts und die Blockchain eine deutliche Vereinfachung, erhöhte Transparenz und eine effizientere Abwicklung.

Kapitalmaßnahmen: Digitale Abwicklung und Flexibilität

Kapitalmaßnahmen, wie Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen,Aktiensplits oder Bezugsrechtsangebote, werden bei Kryptoaktien digital und automatisiert im Kryptowertpapierregister abgewickelt. Dies erhöht die Flexibilität und Effizienz und reduziert den administrativen Aufwand für Emittenten und Investoren:

  • Kapitalerhöhung: Neue Kryptoaktien werden im Kryptowertpapier-register eingetragen und den Aktionären gemäß den Emissionsbedingungen zugeteilt. Die Kapitalerhöhung kann auch im Rahmen eines Equity Crowdfundings durchgeführt werden, wobei die Emission der neuen Kryptoaktien über die ecrop-Plattform erfolgt.

  • Kapitalherabsetzung: Die Anzahl der Kryptoaktien wird im Kryptowertpapierregister reduziert. Die Aktionäre erhalten eine entsprechende Ausgleichszahlung, die entweder in Form von Geld oder in Form von anderen Vermögenswerten erfolgen kann.

  • Unterschied zur klassischen Aktie: Bei klassischen Aktien und elektronischen Zentralregisteraktien ist die Abwicklung von Kapitalmaßnahmen oft komplexer, zeitaufwändiger und mit höheren Kosten verbunden. Kryptoaktien bieten hier durch die digitale und automatisierte Abwicklung mittels Smart Contracts eine deutliche Vereinfachung, erhöhte Transparenz und Effizienz.

Delisting und Rückkauf: Der Abschluss des Lebenszyklus

Das Delisting einer Kryptoaktie, d.h. die Entfernung vom Handel an einem DLT-Handelsplatz, und der Rückkauf von Kryptoaktien durch den Emittenten markieren das Ende des Lebenszyklus. Die Abwicklung des Delistings und des Rückkaufs erfolgt gemäß den Emissionsbedingungen und den geltenden Gesetzen.

  • Delisting: Die Notierung der Kryptoaktie an einem DLT-Handelsplatz wird beendet. Der Handel kann jedoch weiterhin durch OTC stattfinden. Die Bedingungen für das Delisting werden in den Emissionsbedingungen festgelegt.

  • Rückkauf: Die Emittenten können die Kryptoaktien von den Aktionären zurückkaufen. Die Rückkaufsbedingungen werden in den Emissionsbedingungen festgelegt und müssen den aktienrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die Aktien werden im Kryptowertpapierregister gelöscht.

  • Unterschied zur klassischen Aktie: Bei klassischen Aktien und elektronischen Zentralregisteraktien ist der Prozess des Delistings und Rückkaufs oft komplexer und zeitaufwändiger. Bei Kryptoaktien erfolgt die Abwicklung digital und automatisiert über das Kryptowertpapierregister, was eine schnellere und effizientere Durchführung ermöglicht und den administrativen Aufwand reduziert.